Die größten Naturkatastrophen der Alpen

Zahlreiche Naturkatastrophen haben über Jahrhunderte ihre Spuren in den Alpen hinterlassen. Immer wieder kommt es zu unvorhersehbaren Ereignissen wie Lawinen, Gletscherabbrüchen, Bergstürzen oder Erdbeben. Hier ein Überblick über einige der dramatischsten dokumentierten Katastrophen.

Die Alpen zeichnen sich durch Extreme aus: Extreme Höhenunterschiede, Temperatur- und Wetterschwankungen sowie verschiedene Gesteinsschichten und Vegetationszonen auf kleinem Raum. Dadurch kommt es immer wieder zu Naturkatastrophen. Etwa seit 1600 dokumentierten Menschen diese einschneidenden Ereignisse. Hierbei wurden die größten Naturkatastrophen in den Alpen durch menschliche Handlungen ausgelöst oder verschlimmert.


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Mittlerweile gibt es Alarmsysteme, die die Bevölkerung vor Lawinen oder Bergstürzen warnen, damit eine hohe Zahl an Verunglückten verhindert werden kann. In Risikogebieten werden täglich von Forschern und Experten Lawinenberichte veröffentlicht, die das Risiko auf einer Skala von 1-5 einschätzen. Durch Messstationen, aber auch durch Experten vor Ort, sowie durch Tourengeher, die Polizei oder durch die Bergrettung, werden die Daten zur Risikoeinschätzung erhoben. 

Welche Gefahren gibt es?

Die häufigsten Naturkatastrophen in den Alpen sind Lawinen. Wie Lawinen entstehen und welche Lawinenarten es gibt haben wir in einem anderen Blogpost für dich zusammengefasst. 

Historisch betrachtet ist die Opferzahl bei Lawinen geringer als bei Bergstürzen. Bei einem Bergsturz rutschen große Mengen von Fels und Schutt von einer steilen Bergflanke ins Tal. Das Gestein kann eine Geschwindigkeit von über 100 km/h erreichen. Sind Dörfer

betroffen, haben Bergstürze oft gravierende Auswirkungen, denn das Überlebensrisiko ist sehr gering. Bei Bergstürzen bilden sich teilweise sogar Seen oder Wasserläufe werden verändert. Stürzen die Gesteinsmassen in größere Gewässer sind Flutwellen möglich. Neben Gesteinsmassen können auch gewaltige Eismengen, der sich ständig bewegenden Gletscher, abbrechen. Durch Gletscherabbrüche werden Eislawinen oder Flutwellen verursacht. 

In den Alpen kommt es zudem zu Erdbeben. Durch das Zusammentreffen der Adriatischen Platte mit der Eurasischen Platte faltete sich das Gebirge auf. Die Plattentektonik sorgt immer wieder für Spannung, die sich dann ruckartig in Form von Erdbeben entlädt. 

Piuro im Bergell (1618)

Circa 900-1200 Tote

Eines der frühen dokumentierten Unglücke war der Bergsturz am Monte Conte nahe der italienischen Stadt Piuro in der Lombardei im Bergell Tal. Piuro war eine wohlhabende Ortschaft, die europaweit mit Seide handelte und durch den Abbau und die Verarbeitung von Lavezstein (Speckstein) bekannt war. Der Abbau des Gesteins war unkontrolliert und so unterhöhlte man den Monte Conto beinahe komplett. Durch enorm viel Regen lösten sich im September 1618 drei Millionen Kubikmeter Fels und begruben die Stadt Piuro fast vollständig unter sich. Zu der Zahl der Opfer gibt es unterschiedliche Angaben. Es wird vermutet, dass circa 900-1200 Menschen ihr Leben bei diesem durch Menschenhand verursachten Bergsturz verloren. 

Giétroz (1818)

44 Tote

An dem rund 4 Kilometer lange Giétrozgletscher oberhalb der heutigen Staumauer des Lac de Mauvoisin, kam es vom 16. bis zum 19. Jahrhundert immer wieder zu Eisstürzen. 1818  versuchte man das aufgestaute Wasser des Gletschers abzuleiten. Ein von Menschen errichteter Eisdamm durchbrach und löste eine Flutwelle aus, die unter anderem die Stadt Martigny überschwemmt.

Trentino-Südtirol (1916)

Circa 5000 Tote

Am 13. Dezember 1916 ereignete sich in Trentino-Südtirol eine der schlimmsten wetterbedingten Katastrophen Europas. In den Tagen zuvor schneite es ununterbrochen und die Schneedecke hatte ein unglaublich schweres Gewicht. Es herrschten ungünstige Wetterbedingungen, so dass es zu dutzenden Lawinenabgängen in der Region kam. Zu dieser Zeit kämpften die Heere von Österreich-Ungarn und Italien im Gebirgskrieg gegeneinander. In Folge der Lawinenabgänge starben etwa 5000 Soldaten. An der Marmolada alleine riss eine einzige Lawine circa 300 Menschen in den Tod. Wegen militärischer Geheimhaltung bliebt das Ausmaß dieser Katastrophe eher unbekannt. 


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Blons (1954)

57 Tote

Vom 10. bis zum 12. Januar 1954 kam es in Vorarlberg zu unzähligen Lawinenabgängen durch extremen Schneefall. In drei Tagen gingen circa 400 Lawinen ab. Besonders schwer betroffen war die Gemeinde Blons, in der zwei Lawinen ein Drittel der Häuser zerstörten. Die erste Lawine verschüttet zunächst 118 Menschen, Stunden später verschüttet eine zweite Lawine die Rettungskräfte. Insgesamt starben 57 Menschen bei dem Unglück. Der Großeinsatz, der zur Bergung anschließend stattfand, war der erste in Europa, bei dem Hubschrauber eingesetzt wurden. 

Longarone / Vajont (1963)

Über 2000 Tote

Im Nordosten Italiens bei der Gemeinde Longarone errichtete man in den 1950er Jahren eine Staumauer, um den Fluss Vajont zu stauen. Am 9. Oktober 1963 kommt es durch die Stauung des Wassers zu einem Bergrutsch in den See. Durch die Gesteinsmassen wurde eine große Flutwelle ausgelöst, die über die Mauer hinweg ins Tal stürzte und die umliegenden Ortschaften zerstörte. Diese Tragödie forderte über 2000 Menschenleben, nur wenige der Anwohnenden wurden lebend geborgen. Die Behörden untersuchten die Katastrophenursache und die Konstruktion der Staumauer. Es kam zur Anklage mehrerer an der Konstruktion beteiligten Personen und zu einer Gefängnisstrafe von 21 Jahren. Der Angeklagte Bauingenieur begann vor Beginn des Prozesses Suizid. Mittlerweile wurde der Ort wieder aufgebaut und eine Gedächtniskapelle errichtet. Die Staumauer besteht immer noch, aber es wurde kein See mehr aufgestaut. 

Friaul (1976)

989 Tote

In der nordostitalienischen Region Friaul wurden durch Plattentektonik über die Jahrhunderte immer wieder Erdbeben ausgelöst. Am 6. Mai 1976 kommt es zu einem einminütigen Beben mit einer Magnitude von 6,5 MS. Auf der Mercalliskala wurde das Beben mit einer Stufe 10 von 12 angegeben, welche als vernichtend gilt. So zerstörte das Erdbeben viele Dörfer im Friaul und richtet in großen Teilen der Ostalpen Schäden an. Etwa 80.000 Menschen waren von der Katastrophe betroffen, über die Hälfte von ihnen verlor ihren Wohnort und 989 Menschen starben. Im selben Jahr gab es weitere Erdbeben in der Region, wodurch es zu einer noch größeren Zerstörung kam.

Galtür (1999)

31 Tote

Ein weiteres großes Lawinenunglück ereignete sich am 23. Februar 1999 in der österreichischen Gemeinde Galtür. Die Lawine löste sich am als ungefährlich geltenden Hang des Grießkogel oberhalb Galtürs. Sie überrollte das Dorf mit einer Geschwindigkeit von fast 300 Stundenkilometern.

31 Menschen konnten nicht lebend geborgen werden. Der gesamte Winter war sehr schneereich und die Ortschaft war bereits mehrere Wochen vor dem Lawinenunglück durch die extremen Wetterbedingungen von der Außenwelt abgeschnitten. Nach der Lawinen war die Bevölkerung Galtürs bis zum nächsten Morgen auf sich alleine gestellt, da die Wetterbedingungen es auch für die Rettungskräfte extrem erschwerten die Ortschaft zu erreichen. 


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